Überlegungen zu Revisionen des Werkbegriffs im Zeitraum zwischen den 1950er und 1970er Jahren

Allan Kaprow u. sein Sohn Anton in 'Yard', Abb. zu seinem Artikel ‚The Legacy of Jackson Pollock‘ in: Art News, 57, Nr.6.
Im Laufe der 1950er Jahre stößt die Werkform an die Grenze ihres polymedialen ‚Fast-Nichts‘ – „blank canvas, the motionless dance, the silent music, the empty page of poetry“, wie Allan Kaprow summiert. Die gattungsübergreifend entleerten Reste der Werkform als einer materiell und medial stabilen Entität bezeugen die Konsequenzen einer doppelten Negationsbewegung in der geschichtlichen Entwicklung der Kunst: der Zerstörung bildlicher Repräsentation und der Überschreitung der Dimension des Bild-Trägers. Happenings und Performances ziehen ihre eigenen Konsequenzen aus diesem epistemologischen Kreuzungspunkt. Als Werke sind sie nur mehr zu fassen, sofern man sie als das ungleichzeitige Zusammenspiel ihrer Produktion, einer daraus resultierenden, für die ästhetische Erfahrung konstitutiv vergänglichen und nur medial fixierbaren Aufführung, sowie deren überzeitlich rezipierbaren Spuren analysiert. Als Kunstform intendiert das Happening Sichtbarkeit und Wirksamkeit innerhalb der Strukturen der sozialen Wirklichkeit jenseits der Institutionen der Kunstwelt. So werden Stadtraum, Hinterhof oder das Gelände einer Hühnerfarm zur Aufzeichnungsfläche verschiedener Formen und Semantiken von ‚Leben‘, auf die das avantgardistische Projekt seit jeher sein Augenmerk gerichtet hatte.
Das Projekt fragt nach dem Werkbegriff einer post-medialen, prozessualen Kunst ausgehend von Allan Kaprows Arbeiten der späten 1950er Jahre, deren Ausgangspunkt er wie viele amerikanische Künstler seiner Zeit von einer Exegese der Kunst Jackson Pollocks her entwickelt. Vorgeschlagen wird damit ein alternativer Lektüre-Schwerpunkt der Kunst-Entwicklungen der 1950er bis 1970er Jahre, mit dem es um die geschichtliche Struktur und die Formen dieses erneuten Aufbruchs der Kunst in Richtung Leben gehen soll.